Am frühen Morgen des 30.05.2020 führten Polizeibeamte an der Fachhochschule in Kaiserslautern eine Kontrolle von ca. 15 bis 20 Personen durch. Unter den anwesenden Personen befand sich auch die Angeklagte mit Freunden. Während die Polizeibeamten die Personalien der noch anwesenden Personen feststellten, filmte die Angeklagte den Polizeieinsatz mit ihrem Smartphone. Sie beschränkte sich hierbei darauf, den Boden zu filmen und insbesondere eine Tonaufnahme des Einsatzes zu fertigen. Über einen Zeitraum von 39:07 Minuten wurden jedoch von ihr sämtliche Gespräche aufgezeichnet, die im Rahmen der Personenkontrolle stattfanden. Die Angeklagte wurde aufgefordert, das Filmen zu unterlassen und das Video zu löschen. Die Angeklagte verweigerte dies verbal. Da aus Sicht der Beamten aufgrund des Vorverhaltens der Angeklagten davon auszugehen war, dass sie mit ihrem Smartphone tatsächlich audiovisuelle Aufnahmen von der Polizeikontrolle gefertigt hatte und einzelne Betroffene der Personenkontrolle und auch Gespräche zwischen den einzelnen Betroffenen aufgenommen worden waren, wurde die Sicherstellung des Handys angeordnet und gegen den Widerstand der Angeklagten durchgesetzt. Dazu wurde die Angeklagte zu Boden gebracht und gefesselt. Hierbei beleidigte die Angeklagte die Polizeibeamten.
Das Amtsgericht hat die Angeklagte wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten mit Bewährungsaussetzung verurteilt. Hiergegen wendete sich die Angeklagte mit ihrer (Sprung-)Revison.
Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken hat die Revision der Angeklagten als unbegründet verworfen. Der Senat hat ausgeführt, eine Strafbarkeit nach § 113 StGB wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte setze voraus, dass die Diensthandlung, gegen die Widerstand geleistet werde, rechtmäßig sei. Diese Diensthandlung sei hier die Sicherstellung des Smartphones. Die Sicherstellung sei gerechtfertigt, wenn das Smartphone als Beweismittel in einem Strafverfahren in Betracht kommen könnte. Das wiederum sei nur der Fall, wenn die Video- und Audioaufnahme als solche strafbar sein könnte.
Vorliegend sei ein begründeter Anfangsverdacht hinsichtlich eines Vergehens nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu bejahen. Danach sei die Aufnahme des nichtöffentlich gesprochenen Wortes eines anderen auf einen Tonträger strafbar. Nach verbreiteter Auffassung sei ein gesprochenes Wort nichtöffentlich, wenn es nicht für einen größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder nicht durch persönliche oder sachliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis bestimmt oder unmittelbar verstehbar ist. Dies sei jedenfalls bei der getrennt von anderen Personen, mithin bewusst abseits der Gruppe durchgeführten Feststellung von Personalien der Fall. Nach den getroffenen Feststellungen sei nicht von einer „faktischen Öffentlichkeit“ auszugehen Die Polizeikontrolle habe zu nächtlicher Stunde (ab 03:04 Uhr) in einem begrenzten Bereich (am Teich an der ehemaligen Kammgarnspinnerei) stattgefunden. Es sei daher aus Sicht der Sprechenden nicht damit zu rechnen gewesen, dass über die Gruppe der kontrollierten Personen, des Zeugen L. und der Einsatzkräfte hinaus, weitere Personen zuhören. Insoweit scheide auch eine berechtigte Interessenausübung auf Seiten der Angeklagte von vornherein aus.
Weiterführender Hinweis:
Das hier relevante Vorgehen zur Strafverfolgung ist von präventivpolizeilichen Maßnahmen gegen Video- und Audioaufnahmen zu unterscheiden sei. Bei präventivpolizeilichem Vorgehen sind die Grundrechte des Aufnehmenden zu beachten mit der Folge, dass eine Untersagung die konkrete Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut voraussetze. Diese ist grundsätzlich nur dann gegeben, wenn die Gefahr besteht, dass Bilder von Polizeibeamten veröffentlicht werden, auf denen sie erkennbar sind (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 30.09.201, 1 OLG 2 Ss 33/21).
Verfahrensgang:
AG Kaiserslautern, Urteil vom 13.08.2021, Az. 6110 Js 9981/20
Pf. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 30.06.2022, Az. 1 OLG 2 Ss 62/21, juris